(Deutsch) Ganglia. CD Review. Deutschland. Bad Alchemy-100. Januar 2019

Bad Alchemy. Auflage 100  

Nowjazz plink’n’plonk — Creative Sources (Lisboa)

Author:  Rigobert Dittmann
 
https://www.badalchemy.de/
 

Nach dem Bassisten Eberhard Kranemann bei «Luxatio» (und dem Miteinander mit Brassimi­lation oder 3Style) hat VOCcOLOURS nun bei Ganglia (CS 548), wie schon bei «ZvuKlang» mit Alexey Lapin, mit ANDREI RAZIN (vom The Second Approach Trio) wieder einen russischen Pianisten an der Seite. Die rhein-ruhr-regionalen Zungenschnalzer, also Gala Hummel (die als Drummerin mit The Absurd sich, statt über The Wire, auch über BA-Geschwurbel hätte lustig machen können), Brigitte Küpper, Iouri Grankin & Norbert Zajac (die alle drei auch beim Kölner Feral Choir Polyfolie, dem KlangDrangOrchester und dem Wuppertaler Improvisations Or­chester mitkandideln), machen sich hier übers blaue (‘Blue’) und goldene Ende der Banane her (‘Golden fog’). Dazwischen gibt’s Poltergeister, Brownschen Molekulardampf, ‘A BING’, ‘A faint chill’ und sogar ein Requiem (ohne i). Damit ist die Gefahr verbunden, über Grids und Cluster zu stolpern, die Helau-Alaaf-Grenze zu verwischen und sich die Nerven zu verknoten. Ohne Knoten in der Zunge lutschen die Vier da zu melancholischem Geklimper mit leeren Taschen an der blauen Stunde. Grotesk gekrächzter Singsang findet mit joyce’schem Beiklang zu scat­tendem Stakkato, Razin gnomt à la Mussorgski. Weiche Zungen schlabbern schlüpfrig, Razin schuhplattlt dazu auf Holz und Draht. Und kitzelt die Mädels mit quickem Gequirle, dass sie kichern, swinglesingen, kirre hinschmachten und synchron tänzeln. Ein glossolaler Blues wird mit groteskem Growling verstolpert, Razin kapriolt, auch die Herren scatten genüsslich. Toll, wie sie sich einfach hinstellen, jede/r für sich Instrument genug, um Dschungelgeschnatter und kasperltheatralischen Klamauk auszuspucken. Razin plinkt und plonkt mit Draht, einer spielt Medium für Phil Mintons quicklebendigen Geist, eine kauderwelscht Quatschchinesisch, das Piano galoppiert. King Imagine klingelt als ukrainischer Gast mit Glöckchen, es wird auf Eis geurmelt, tiriliert und zu wilder Pianistik lauthals gegröhlt. Um danach kleinlaut zu trauern und modrige Pilze zu kauen und plötzlich doch stampfend und trotzig zu tanzen. Aus über­sprudelnden Schlabbergoschen quellen rasant schnatternde Geschwindigkeitsexzesse. Spitzentänzelnde Razinistik löst abruptes Gegiggel aus, knörendes Gequengel und barbarischen In-taberna-Gesang, der in sonnenklarem Arabisch abgemahnt wird. Der Ausklang jedoch versinkt als ein gesummter goldener Sonnenuntergang. [BA 100 rbd]