(English) Luxatio. CD Review. Deutschland. Bad Alchemy #87. September 2015

LEO RECORDS (Klingskerswell,Newton Abbot)

Author: Rigo Dittmann

http://www.badalchemy.de/

Von Aquabella, Basta und Bauchklang über FORK, Klangbezirk und MAUF bis Van Canto, A-capella macht in allen Spielarten Furore. So groß das Spektrum ist, VocCOLOURS verhält sich dazu wie David Moss mit seinem Vocal Village Project und Five Men Singing zu etwa Singer Pur. Das 4+1- Prinzip, das sie schon öfters und auch bei ihrem Leo-Debut „ZvuKlang“ mit dem Pianisten Alexey Lapin als 5. Mann anwandten, das praktizierten Iouri Grankin, Brigitte Küpper, Gala Hummel & Norbert Zajac auch am 8.11.2014 im Kölner Loft mit Eberhard Kranemann an Kontrabass & Electronics, zu hören als Luxatio (LR 720). Kranemann ist ein ganz besonderer Vogel, Jahrgang 1945 und in der School of Joseph Beuys als Jedermensch ist anarcho bestärkt. Er formierte das entsprechend radikale Projekt Pissoff, war Geburtshelfer von Kraftwerk, mischte mit bei Neu! und ist zwangsläufig einer der Zeitzeugen in Rüdiger Eschs „Electri_City“ (Suhrkamp). Als Fritz Müller verkörpert er Kunst und Sex, so speziell wie alltäglich, aber eben sexy genug, um mit Nurse With Wound gemeinsame Sache zu machen oder mit Faust Kraut forever zu mampfen. Die Gorgos und Zungenbrecher, die ihm da die Gurgelstirn bieten, entsprechen in ihrer glossolalen Anarchie perfekt seinem Fluxus-Dada-Spirit. Wie da eine jauniauxt, hechelt, gurrt oder Buchstabensuppe schlürft und der andere mosst, stammelt und Nachtgesänge wiederkoit, das lässt Kranemann vergnügt am Fell toter Hasen zupfen, an tausend Eichen knarren oder als Hirsch umeinanderfritzen. Ob beim schamanoiden ‚Taiga‘ oder dem angepoppten ‚Bassanoia‘ (wobei das aufeinander abfärbt), es wechseln groovige und beschrammelte Verdichtungen mit exaltiertem oder implodiertem Gemümmel. ‚No No Ts‘ ist ein noten- und bodenloser Notstand, das beim Schnuppern an Einstein und Blümelein niesen muss. ‚Die Aquacircles‘ werden von Kranemann mit Wahwah und Elektropeitsche gekringelt, die Stimmen circen. ‚Why so‘? Aus Spaß an Enten- und Dodoquak und Gagapsychedelik, die weder Basspuls noch Drummachine scheut. Und auch sonst keine Verrenkung im Hals-Nasen-Ohrenbereich, ‚Luxation‘, hier der wiegenliedzarte Ausklang, meint nämlich nichts anderes als Auskugeln oder Dislocation, wie die Briten sagen. Und ist: „Dass nichts an seinem Platz bleibt“ nicht die, bei aller Alogik, doch logische Antwort auf das ‚Why so‘?
[BA 87 rbd]

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