VocColours, Alexey Kruglov, Roman Stolyar, Oleg Yudanov, Andrey Razin: Russian Affair
Author: Rigobert Dittmann
VOCCOLOURS Russian Affair (ArtBeat Music, AB-CD-09-2016-108): Hat es damit angefangen, 1976 mit Krystyna Prońkos ‚A Gdzież Są Te Drogi‘ als Floh im Ohr eines Studenten in Charkow? Die Faszination dieses Gesangs hat Iouri Grankins Leben verändert und seinen Weg – in der Luft, auf dem Land – über Tscherkassy bis nach Düsseldorf bestimmt. Im Oktober 2015 führte sie den ukrainischen Vokalakrobaten mit dem VocColours-Quartett über die Kante nach Moskau auf das 4. Leo Records Festival für den Zusammenklang mit dem Saxophonisten Alexey Kruglov, dem Drummer Oleg Yudanov und Roman Stolyar an Piano und Blockflöten. Doch nicht für Russian Folksongs in the Key of New Jazz. Eher werden da mit karnevalsgrotesken und popmechanischen Querstreben Krawalle geschachtelt. Spiridonows Großmutter säuft, Kruglov malt eine Dame mit einer Knute in der Hand. Scats in Vogelsprache ohrfeigen glossolale Grashüpfer, aber zärtlich, zärtlich und klapprig, perlig um-Zaumt, mit allem AEIOU, von Brigitte be-Küpper-t, von Gala um-Hummel-t, von Norbert Zajac durchgekaut. Es wird Quatsch gemacht, ein Zwerg geherzt und bis zum deliranten Happy End rhabarbert und getanzt. Mit „Spasibo“ an Goethe und Leo. Und überhaupt, was sind denn das für Russen? ‚Daheim‘ im Kölner Loft hatte es freilich schon 2012 mal eine russische Übung gegeben mit dem im The Second Approach Trio mit der überkandidelten Tatiana Komova vorgeglühten Temperamentsbolzen Andrei Razin am Piano. Genau dem Richtigen, um mit den Zungen grotesk über die Stränge zu schlagen, mit gnomischem Mimimi und komischem Onono, launig-labialem Lallen und clownigem Ketschak-tschak-Affenbiss in Razins Finger, die da über die Tasten und im Innenklavier kasatschoken. Eine babylonische Stakkatotirade bekennender Tourette-Syndromatiker, russisch behämmert. Zu Vocal Summit verhält sich VocColour wie Phil Minton oder Five Men Singing zu meinetwegen fünf Al Jarreaus. [BA 93 rbd]